Historische Kontinuitäten: Schlaglichter auf eine lange Tradition
Seit ihren Anfängen ist die Sarotti AG bei der Schokoladenproduktion auf Kakaoimporte angewiesen. Vor Beginn der deutschen Kolonialherrschaft im Jahr 1884 stammen diese aus Gebieten Westafrikas, die von anderen Kolonialmächten besetzt sind. Danach wird vor allem Kamerun zu einem wichtigen Rohstofflieferanten.

Auszug aus dem Kolonial-Handels-Adressbuch von 1907
„Deutsch geführte“ Pflanzungen sichern günstige Konditionen, denn sie sind Großplantagen, auf denen zwangsverpflichtete Schwarze Menschen unter unwürdigen Bedingungen Schwerstarbeit leisten müssen. Kamerunische Kakaopflanzer*innen werden von deutschen Plantagenbetreibern als Konkurrenz wahrgenommen und bekämpft. Die Kolonialverwaltung trägt auf ihre Weise dazu bei: Sie richtet ein Abgabensystem ein, das Menschen in die Abhängigkeit treibt und zur Zwangsarbeit auf deutschen Plantagen nötigt. Widerstand wird als „Arbeitsverweigerung“ verleumdet und hart bestraft.
Im Nationalsozialismus bekennt sich die Sarotti AG als „Stätte deutscher Wertarbeit“. Den Niedergang der Schokoladenproduktion, die während des Zweiten Weltkriegs als „nicht kriegsrelevant“ eingestuft wird, kann das Unternehmen als Tochter des Nestlé-Konzerns ausgleichen. Es stellt seine Produktion auf Lebensmittel und Milchpulver um und stellt Süßwaren und Nahrungsmittel für die Deutsche Wehrmacht her.
Zu den Arbeiter*innen, die in jener Zeit Zwangsarbeit für das Unternehmen leisten, gehört die damals 16jährige Hanna Dzubenko aus Peremoha. Als Ukrainerin fällt sie unter die rassistische Sondergesetzgebung des NS-Regimes, die sogenannten „Ostarbeitererlasse“. Sie muss beim Auf- und Abladen helfen und ist im Lager Tempelhof interniert: „Sie erinnert sich an drei Baracken: eine für Frauen, eine für Männer und eine für Familien. [...] Ihr Vater gehörte zu den Zivilisten, die in Peremoha von deutschen Soldaten erschossen wurden.“

Hanna Dzubenko schaut sich Fotos ehemaliger Zwangsarbeiter-
*innen der Sarotti AG an, 2004
Seit den 1970er Jahren geraten Großkonzerne der Kakaoindustrie immer wieder in die Schlagzeilen. Die Vorwürfe wiegen schwer: Es geht um Kinderarbeit auf Kakaoplantagen in Westafrika. 2005 reicht die Menschenrechtsorganisation Labor Rights Fund in den USA eine Sammelklage gegen mehrere Unternehmen ein. Der Grund: Einige Beklagte, darunter auch Nestlé, haben sich im Harkin-Engel-Protokoll verpflichtet, die schlimmsten Formen von Kinderarbeit und Kindersklaverei in der Kakaoindustrie zu beenden, dies jedoch nur unzureichend umgesetzt. Die Klage wird abgewiesen.
Nach wie vor sind über 500.000 afrikanische Kinder von Verschleppung und Zwangsarbeit für die westliche Schokoladenindustrie betroffen.