Das Denkmal-Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas
Am 24. Oktober 2012 findet die feierliche Einweihung des Denkmal-Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas statt. Die zwischen Reichstag und Brandenburger Tor zentral gelegene Gedenkstätte – entworfen und gestaltet vom israelischen Künstler Dani Karavan – ist der Erinnerung an die Opfer des Pharrajmos gewidmet: Zwischen 1933 und 1945 werden über fünfhunderttausend Sinte*zza und Rrom*nja in Deutschland und anderen europäischen Ländern von den Nationalsozialisten systematisch verfolgt und ermordet.
Die Eröffnung des Denkmal-Mahnmals erfolgt spät: 20 Jahre nach dem offiziellen Beschluss seiner Realisierung; 30 Jahre nach der Anerkennung des Völkermords durch die Bundesregierung; 56 Jahre nach den ersten Versuchen der politischen Selbstorganisation, um für die Rechte der Überlebenden und für ein würdiges Gedenken an die Toten einzutreten; fast 80 Jahre nach dem Beginn der nationalsozialistischen Verfolgung.
Die Existenz eines zentralen Gedenkortes ist das Ergebnis eines langen, beschwerlichen Kampfes der Bürgerrechtsbewegung von Sinte*zza und Rrom*nja gegen Erinnerungsabwehr und historische Verleugnung. Es ist vor allem ihr Verdienst, dass die Bundesregierung 1992 überhaupt den Beschluss fasst, sich an der Umsetzung eines Denkmal-Mahnmals zu beteiligen. Zuvor hat der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, alle Landesverbände zur Demonstration am Brandenburger Tor aufgerufen, um der Forderung nach einem Denkmal-Mahnmal im Zentrum der Stadt Ausdruck zu verleihen. Jahrelang stellen Aktivist*innen immer wieder Plakate im Tiergarten auf, damit die Forderung nicht in Vergessenheit gerät.
Es erstaunt wenig, dass im Zuge der Verwirklichung des Denkmal-Mahnmals heftige erinnerungspolitische Konflikte ausgetragen werden müssen, ehe sich das Selbstverständnis der Community angemessen widerspiegeln kann. Ein erster Streitpunkt ist der Standort. Noch bis Mitte der 1990er Jahre versuchen Gegner, es an den Stadtrand zu verbannen – vorzugsweise an den Ort des ehemaligen Zwangslagers Berlin-Marzahn. Ein weiterer Streitpunkt entzündet sich um die Inschrift – besonders um den von der Bundesregierung vorgeschlagenen, historisch belasteten Begriff „Zigeuner“. Anstelle einer Inschrift findet sich auf dem Rand des Brunnens das Gedicht „Auschwitz“ von Santino Spinelli auf Romanes, Deutsch und Englisch.
Die Bürgerrechtlerinnen Anita Awosusi und Ilona Lagrene erinnern sich in den nachfolgenden Interview-Auszügen an die vielen Kämpfe, die vor und während der Realisierung des Denkmal-Mahnmals stattgefunden haben. Sie zeigen auf, was seine Existenz für die Überlebenden des nationalsozialistischen Völkermords und für die nachfolgenden Generationen bedeutet.